Texte

Interview von Pietro Schöne mit Susanne Specht für den Katalog "Geologie trifft Kunst – Eklogit"
31.07.2011

Nicht Suchen, sondern Finden

Sie bestellen Ihre Materialien nicht beim Künstlerbedarf, oder beim Steinhändler. Mit den Eklogiten haben sie auch keinen Steinbruch, der Ihnen das Material liefert, sondern sie finden das Material auf Äckern oder Steinhalden im Wald, D.h. Sie verwenden für Ihre Eklogit- Skulpturen keine gebräuchlichen Bildhauermaterialien, sondern von den Bauern als Abfall empfundene Materialien. Was war der Ausschlag, dass sie sich dem Eklogit zuwandten ?

Begonnen hat diese Arbeit nicht mit einer Suche, sondern der Zufall, der meines Erachtens stetiger Begleiter künstlerischer Prozesse ist, ließ mich diesen Stein entdecken. Es war die Form, die mich ansprach, den ansonsten unscheinbaren Stein vom Feld mit ins Atelier zu nehmen. Erst dort entdeckte ich -indem ich das extrem harte und schwere Material aufschnitt- dass es sich um ein ganz besonderes Mineral handeln muss. Das Öffnen war so, als würde ich ein Geheimnis lüften und in einen anderen Raum und eine ferne Zeit blicken. Es eröffnete sich mir eine innere Struktur, wie ich sie vorher bei noch keinem Stein gesehen hatte.

Bei der Suche können sie ja nicht in den Stein schauen, wie entscheiden sie welchen Brocken sie mitnehmen und welchen nicht?

In der Regel sind es ästhetische Kriterien. Ich lasse mich von der Form leiten, sie sollte einfach und klar sein. Aber je mehr ich mit den Jahren den Eklogit kennenlernte, um so besser konnte ich auch von Außen ahnen, was sich jeweils im Innern zeigen würde, deshalb bezog ich dann auch die Außenkruste in meine Auswahlkriterien mit ein.

Es fällt auf, dass Ihre Eklogitskulpturen eine bestimmte Größe nicht überschreiten, wogegen sie mit anderen Steinen riesige Skulpturen für den öffentlichen Raum erschaffen haben. Welchen Grund hat das kleine Format bei den Eklogiten?

Ja, das stimmt- mein größter bearbeiteter Eklogit ist gerade mal ein Viertelkubikmeter groß-die meisten Eklogitskulpturen sind jedoch viel kleiner. Es geht mir bei den Arbeiten um den Blick ins Innere, dieses Anliegen lässt sich nur in einer kleinen dem menschlichen Auge angepassten Dimension erreichen. Nur im Nahblick, eben im Kleinen, eröffnet sich das innere Geheimnis. Je größer die Arbeit um so mehr drängt sich das rein formale Moment in den Vordergrund und das interessiert mich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht.

Was ist dieses Innere Geheimnis?

Schönheit gepaart mit einer unfassbaren Zeitdimension. Es war faszinierend, dass ich einen Stein mitgenommen hatte, der äußerlich grob, unscheinbar und ackerbraun war und im Inneren Schönheit und Verletzlichkeit verbarg.

Ich sah im Inneren eine besondere Farbigkeit : ganz viel grünes Material durchsetzt mit dunkelroten Einschlüssen, die von den Geologen als Omphazit und Granat beschrieben wurden, ich sah aber auch Risse und feine Adern, die ich als Verletzungen wahrnahm. Es ist als würde man ins Innere der Erde schauen.

Da sind sie ja nah an der Geologie, ist das auch ein Gebiet, dass für sie als Bildhauerin von Interesse ist?

Die Geologie spielte zu diesem Zeitpunkt für meine bildhauerische Arbeit überhaupt keine Rolle. Dennoch dieser Fund machte mich neugierig, so dass ich Kontakt zu Geologen aufnahm. Von ihnen erfuhr ich aus wissenschaftlicher Sicht vieles über das Einzigartige dieses Gesteins, über sein hohes Alter, seine Entstehungsgeschichte , seine Metamorphose und den langen Weg, den dieser Stein, hinter sich gebracht hat, bis er an die Oberfläche kam. Die Geologie bestärkte mich in dem Gefühl, dass nichts bleibt, wie es ist - auch der scheinbar ewige Stein in ständiger Transformation lebt, nur eben in einer anderen, für uns nicht direkt wahrnehmbaren Zeitdimension. In der Auseinandersetzung mit der Geologie begann der Boden unter mir zu wanken.

Auf welche Weise bringen sie Inhalt, Form und Material zusammen?

Der Eklogit öffnet in mir eine philosophische Dimension.
Die Arbeit an den Eklogiten bedeutet den Blick in eine andere Zeit-und Raumdimension zu lenken. Ich öffne die unscheinbare Zeitkruste des Steins und stoße da auf Schönheit, die seit 600000000 Millionen Jahren verborgen war. Das relativiert einiges und regt zum Denken an.

Wie kann man sich Ihren künstlerischen Prozess vorstellen, bis hin zur Entscheidung, dass das Werk vollendet ist?

Mit dem Suchen und Auswählen in der Natur beginnt der kreative Akt. Im Atelier suche ich dann die geeignete und wirksamste Stelle am Stein um ihn zu öffnen. Ich schaue mir eingehend die Form des Steines an und überlege: Wo kann ich am besten in das Material hineingehen, wo kann ich die verwitterte Zeitkruste aufbrechen ohne die Form zu schwächen. Mit diesen eindeutigen, minimalen Eingriffen will ich den Blick in die Innenarchitektur des Steines lenken. Es ist ein Spiel zwischen Demut und Macht um dem Stück Natur eine neue Gestzmäßigkeit zu geben. Wichtig ist mir immer, dass ich so wenig, wie möglich am Stein verändere - dies aber um die größtmögliche Verwandlung zu erzielen.

Wenn ich mit Naturmaterialien arbeite, stoße ich immer wieder auf ähnliche Zusammenhänge und Gesetze. Ich gehe in den Dialog mit dem Material, respektiere es und will es neu erfinden. Ich arbeite dann an nur einer Stelle und belasse alles andere in seinem Urzustand. Meistens funktioniert das so - wenn nicht, gehe ich weiter und öffne an einer neuen Stelle oder aber ich vergrößere die Öffnung. Ich mache so lange weiter, bis die Proportionen von Innen und Außen in einer kraftvollen Spannung stehen. Wenn das der Fall ist, beginne ich die ausgearbeiteten Öffnungen so fein zu schleifen, dass eine matte Politur entsteht- dann ist die neue Ordnung erschaffen - die Skulptur ist fertig.

Durch Spannungsfelder von innen und außen, Verwitterung und Massivität ist aus dem gefundenem Fragment etwas neues Ganzes entstanden.

Sie benutzen das Fragment als gestalterisches Mittel?

Ja, so könnte man es sagen und der Eklogit kommt mir da sehr entgegen, da ich nur Fragmente finden kann, die in sich wieder die Aufteilung in neue Fragmente tragen. Risse und Spalten beziehe ich dementsprechend ein. So gibt es Steine, die ich an den naturgegeben Stellen spalte, womit eine ganze Skulptur wieder aus vielen kleinen Fragmenten zusammengesetzt ist und dennoch ein einheitliches Ganzes bilden.